Foto: Der neue Krankenwagen von Sadad neben dem ausgebrannten Wrack des alten.
Zu Weihnachten 2018 sammelten wir Spenden, damit die Kleinstadt Sadad in Syrien wieder einen Krankenwagen bekommt. Inzwischen hat KAB-Diözesansekretär Heinz Neff das Fahrzeug persönlich vor Ort übergeben. Die Bevölkerung war begeistert.
Von Heinz Neff, Diözesansekretär und Projektleiter
„Ein Krankenwagen für Syrien“. Unter diesem Motto arbeitete eine ehrenamtliche Männergruppe der KAB und der Katholischen Männerseelsorge über ein Jahr lang an einem Krankentransportwagen. Wir hatten ihn günstig von den Johannitern erworben: Baujahr 2011, mit ein paar Macken, aber ansonsten gut in Schuss. Im Berufsbildungswerk St. Zeno in Kirchseeon richtete die Männergruppe das Fahrzeug wieder her und baute es in einen Rettungswagen um. Auf Vermittlung des KAB-Bildungswerkvorsitzenden Gerhard Endres unterstützte das Berufsbildungswerk Kirchseeon das Projekt sehr tatkräftig, sowohl mit Werkstatträumlichkeiten als auch durch die Mitarbeit von Ausbildern und Auszubildenden, von denen einige selber als Flüchtling zu uns kamen.
Im Dezember 2018 wurde der fertiggestellte Rettungswagen in einem Festakt im Berufsbildungswerk Kirchseeon geweiht und symbolisch an Vertreter der syrisch-orthodoxen Gemeinde Münchens übergeben. Danach war vorerst Stillstand angesagt, da sich die Verbringung nach Syrien äußerst kompliziert und schwierig gestaltete. Unterstützung fand die KAB in der Internationalen Gesellschaft Orientalischer Christen (IGOC) e.V., welche als Projektpartner mit ins Boot stieg, mit ihrem Netzwerk sehr schnell eine Einfuhrgenehmigung erwirkte und sich auch finanziell mit einigen Mitteln am Transport beteiligte.
Anfang Oktober 2019 war es dann soweit. Nach viel Arbeit und einigen Schwierigkeiten konnte das Fahrzeug endlich an das Krankenhaus in Sadad/Syrien übergeben werden. Sadad ist eine Stadt mit ca. 11.000 Einwohnern südöstlich von Homs und auch für die medizinische Versorgung der umliegenden Region zuständig. Im Laufe des Krieges wurde Sadad zweimal von islamistischen Milizen überrannt, was massive Zerstörungen und über 200 tote Zivilisten zur Folge hatte.
Auf Einladung des Patriarchen der syrisch-orthodoxen Kirche, Ignatius Ephräm II. Karim, reiste ich als KAB-Diözesansekretär und Leiter des Krankenwagen-Projekts zur Übergabe nach Syrien. Mit dabei waren Vertreter der Internationalen Gesellschaft Orientalischer Christen (IGOC e.V.) und Pfarrer Dr. Gnan aus dem Bistum Passau, vatikanischer Beauftragter für die Ostkirchen. Begleitet wurde unsere Gruppe von einem Fernsehteam des Bayrischen Rundfunks.
Foto: Jubelnde Menschen bei der Übergabe des Krankenwagens in Sadad.
Die Übergabe des Fahrzeuges ging uns sehr zu Herzen. Sadad ist keine reiche Stadt, Sadad hat schwer unter dem Krieg zu leiden gehabt. Gerade deshalb ist Unterstützung dort besonders notwendig. Gerade dort sind die Menschen auch besonders dankbar.
Wir übernahmen das Rettungsfahrzeug, welches per Schiff nach Syrien und im Land dann per Lastwagen transportiert worden war, vor den Toren Sadads. Dann fuhren wir es auf eigener Achse in die Stadt. Der Empfang war überwältigend. Zahlreiche Menschen waren auf den Straßen, applaudierten, jubelten, bewarfen das Fahrzeug mit Konfetti und Reis. Eine Pfadfinderkappelle spielte. Als wir aus dem Fahrzeug stiegen, fielen uns die Menschen um den Hals.
Endlich haben die Menschen in der Stadt und Region wieder ein Rettungsfahrzeug. Das einzig existierende war im Krieg von den Islamisten zerstört worden. Seitdem konnten sich die Menschen nur damit behelfen, Kranke und Verletzte im Laderaum eines alten Lieferwagens ins Krankenhaus zu transportieren. Allerdings freuten sich die Menschen auch über etwas Anderes. Für sie war das Fahrzeug, die Überbringung ein Zeichen, dass die Menschen „da draußen“ in Europa sie nicht vergessen haben, dass jemand an sie denkt.
Foto: Feierlicher Aufmarsch der örtlichen Bevölkerung.
Nach der Übergabezeremonie mit Reden von religiösen, gesellschaftlichen und kommunalpolitischen Vertreter*innen war es mir auch sehr wichtig, mich persönlich mit dem Pflegepersonal und den Ärzt*innen über deren Situation zu unterhalten. Klar ist, weiteres Material wie Ersatzteile für das Röntgengerät, ein funktionierender OP-Tisch usw. werden dringend benötigt. Die im Krankenhaus Arbeitenden sind gut ausgebildet, nur die Mittel fehlen an allen Ecken und Enden.
Die leitende Ärztin äußerte sich überwältigt über das von uns überbrachte Fahrzeug: Für sie sei das kein Rettungswagen, sondern eine mobile Klinik. Ein Fahrzeug, welches bei uns gerade mal als Behelfs-Rettungswagen durchgehen würde.
Nachdem ich mit Hilfe einer englisch-arabisch Dolmetscherin sowie Händen und Füßen das Personal in das Fahrzeug eingewiesen hatte, wurden mir vom örtlichen Pfarrer noch eine Sozialstation gezeigt. Diese betreut mit über 40 Ehrenamtlichen hunderte Pflegebedürftige sowie eine Behinderten-Nichtbehinderten-Gruppe. Diese hielt unter Leitung eines Therapeuten gerade ihre Gruppenstunde ab, äußert professionell und nach aktuellen Konzepten.
Foto: Einheimische posieren vor dem neuen Krankenwagen aus Deutschland.
Neben der Übergabe des Krankenwagens standen bei meinem mehrtägigen Aufenthalt in Syrien auch die Besuche mehrerer Hilfs-und Wiederaufbauprojekte auf dem Programm. Ebenso eine Audienz beim syrisch-orthodoxen Patriarchen, ein Besuch in Maalula, dem größten christlichen Wallfahrtsort Syriens, sowie diverse Gespräche mit Vertreter*innen von Sozialorganisationen, religiösen Einrichtungen, aber auch „einfachen“ Menschen, Arbeiterinnen und Arbeitern.
Insgesamt haben wir in Syrien viel Zerstörung und auch Leid gesehen, wir haben aber auch Hoffnung und zarte Pflanzen des Wiederaufbaus erleben dürfen. Auch wenn wir mit unserem Rettungswagen nur einen bescheidenen Beitrag geleistet haben, bedeutet dieser Beitrag für die Menschen vor Ort enorm viel. Im Auftrag dieser Menschen soll ich herzlichst allen Beteiligten danken. Den Mitgliedern der Männergruppe in Kirchseeon, welche viele Stunden ihrer Freizeit in das Projekt gesteckt haben, den Hauptamtlichen der Organisationen und vor allem den vielen Spenderinnen und Spendern, welche mit ihrem Beitrag das Projekt überhaupt ermöglicht haben.
Der Bayerische Rundfunk strahlt am 8. Januar 2020 um 22:00 Uhr einen 45-minütigen Bericht über Syrien aus, in dem auch über unser Krankenwagen-Projekt berichtet wird und die KAB explizit Erwähnung findet.
Nachtrag vom 9. Januar: Hier können Sie den Beitag in der BR-Mediathek ansehen.
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