Der Zeitgeist liebt die Zerstörung: Misstrauen wächst, Schuldige werden gesucht. Das Evangelium widerspricht – mit Heilung statt Gewalt, Verwandlung statt Brand. Wozu nutzen wir das Streichholz: zur Zerstörung oder als Licht der Hoffnung?
Die Predigt zum dritten Advent von unserem KAB-Präses Michael Wagner finden Sie hier im vollen Wortlaut:
(Jes 35,1-6a.10; Jak 5,7-10; Mt 11,2-11)
Das „Project 2025" plant detailliert, wie die USA radikal umgebaut werden sollen. Auf dem Cover seines programmatischen Bekenntnisses ist ein Streichholz abgebildet, der auf das Leitbild hinweist: "Im Morgengrauen Washington in Brand setzen, um zu retten."
Mit dem Feuer zerstören, damit neues entstehen kann. Einst galt das bei Ketzern und Hexen. Die Körper sollten verbrannt werden, um die Seelen zu befreien. Die Lust an der Zerstörung ist uralt. Cato der Ältere beendete jede Rede im Senat mit: "Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Karthago zerstört werden muss." Kaiser Nero soll auf dem Berg beobachtet haben, wie Rom brannte und dabei zur Harfe gesungen haben: "O loderndes Feuer!" Und der Mann in feiner Kleidung, von dem Jesus spricht, Herodes, ließ die Kinder abschlachten.
Derzeit grassiert die Lust an Zerstörung und erlebt geradezu gesellschaftliche Höhenflüge. Gehässig ist schick. Bashing, andere zu demütigen, dient der Unterhaltung. Chaos stiften, gilt als diplomatisches Geschick. Eine nimmersatte Lust an Zerstörung wird genährt von einer aggressiven Nostalgie, die in einer Vergangenheit schwelgt, in der alles "noch in Ordnung" war.
Vergangenheit wird lebensnotwendig, wenn es keine Zukunft mehr gibt, Hoffnung geraubt worden ist. Der Glaube an Fortschritt, steckt in einer Sackgasse. Das Streben nach stetem, endlosem Wachstum, stößt an seine natürlichen Grenzen. Die Sehnsucht, immer neue Ressourcen erschließen zu können, erschöpft Erde und Menschen. Wohlstand für alle, die fleißig sind, tritt nicht ein. Aber das waren die blühenden Landschaften, die die Moderne versprach. Stattdessen Steppe und Sand, Angst und Wut. Verheißungen unerfüllt, Versprechen gebrochen. Das schafft Erklärungsnot. Dabei besteht eine immense Zeitnot, die durch die Schändung der Schöpfung entsteht. Den Spiralen von Kriegslüsternheit entwachsen verzweifelte Impulse.
Wie der neoliberale Raubzug zur Zerstörung führt, dieses System wird nicht hinterfragt. Stattdessen sucht sich der Mensch Sündenböcke: Die EU, der gierige Staat, der Migrant, der Arbeitsscheue. Schuld hat immer der Andere. Statt Vertrauen zu ernten, wird Misstrauen gesät. Ein Misstrauen, in dem es sich sehr bequem fläzen lässt. Einfach gemütlich lässt sich Misstrauen bedienen: Es schenkt Identität und lässt eine neue Gemeinschaft erwachsen.
Misstrauen schweißt zusammen, kann sehr nützlich sein. Aber gefährlich wird es, wenn destruktives Denken zur zürnenden Zerstörungswut heranwächst. Es ist dann wie bei einer Tischpyramide zu Weihnachten: Je stärker die Kerzen brennen, umso schneller bewegt sich der Drehteller mit seinen Figuren. Misstrauen ist der Brandsatz, der die Spirale der Zerstörung befeuert: Washington in Brand setzen. Karthago zerstören. Arbeitsscheue in Existenznot drängen, Migranten in Lebensgefahr abschieben. Grundsicherung, Kaskaden der Sanktionen, Zeiten- und Migrationswende gelten als lebenstaugliche Lösungen.
Es war der Psychologe Erich Fromm, der bereits 1941, die Ursachen und die Folgen dieses Triebes nach Zerstörung benannte: Wenn Menschen sich nicht frei entfalten können, fühlen sich Menschen fundamental blockiert. Anstatt Wünsche zu verwirklichen, entsteht der Wille, die Welt zu zerstören, bevor die Welt sie zerstört und einem die Luft zum Atmen nimmt.
Die Situation, in die das Evangelium hineinspricht, ist sehr ähnlich. Johannes sitzt im Gefängnis, predigte furchtlos gegen Herodes, taufte hoffnungsvoll Jesus im Jordan. Jetzt ist er misstrauisch, zweifelt an seiner Sendung: "Bist du es, der kommen soll, oder sollen wir auf einen anderen warten?" So fragt ein Mensch, der im Dunkel sitzt, der keine Zukunft mehr sieht. Der zutiefst verunsichert auf sich geworfen ist. Hatte er nicht selbst gepredigt: "Schon ist die Axt an die Wurzel der Bäume gelegt"? Hatte er etwa einen Messias der Zerstörung erwartet? Einen, der mit Feuer und Zorn das Alte hinwegfegt? Hat sich nicht Gott selber vorgestellt als jemand, der das Alte zerstören wird, um alles neu aufzubauen?
Jesu Antwort besticht auf eine für ihn typische Weise. Er sticht nicht in die verwundete Seele und erschütterte Sichtweise des Johannes. Anstatt Misstrauen zu säen, Schuld zu zuweisen, Schuldige zu benennen, richtet er den Blick auf das, was da gerade geschieht: Blinde sehen, Lahme gehen, Aussätzige werden rein, Taube hören, Tote werden auferweckt, Armen wird die frohe Botschaft verkündet. Und dann: "Selig, wer an mir keinen Anstoß nimmt."
Jesus als Messias kennt keine Gewalt, findet keine Lust an Zerstörung. Nein, er ist der Messias, der Heiland, der heilt, wiederherstellt, neu schafft. Seine Botschaft baut nicht auf Zerstörung auf, sein Fundament ist Heilung. Es gewinnt keine Lust aus der Destruktion, sondern lebt von der Freude der Verwandlung. Und das ist das Thema des heutigen Sonntags: Gaudete - Freut euch! Sucht Lust nicht im Zerstören, findet Freude im Schaffen, lasst Leben erblühen. Jesus baut auf der Vision des Jesaja auf, der diese bereits vorweggenommen hat. Jesaja bedeutet: "Gott rettet". Seine Botschaft ist radikal: "Die Wüste und das trockene Land sollen sich freuen, die Steppe soll jubeln und blühen."
Krankheiten und Leiden werden nicht bekämpft. Sie werden verwandelt. Die Wüste wandelt sich zum blühenden Garten. Die Augen der Blinden werden aufgetan, der Lahme springt wie ein Hirsch. Angst wird weder geschürt, noch verstärkt, sondern durch die Freude überwunden: „Sagt den Verzagten: Habt Mut, fürchtet euch nicht!“ Das ist Gegenbotschaft zur Zerstörungslust. Nicht Destruktion, sondern Neugestalten. Nicht aggressive Nostalgie, sondern prophetische Vorstellungskraft einer lebenswerten Zukunft. Nicht die Lust am Niederbrennen, sondern die Freude am Erblühen.
Die Frage des Täufers ist aktuell auch eine an uns: Auf wen warte ich? Auf einen Zerstörer, der Platz schafft durch Gewalt? Oder auf einen Schöpfer, der Raum schafft durch Liebe? Auf den politischen Führer, der alles niederreißt, um doch alles beim Alten zu belassen? Baue ich meine Identität auf Misstrauen auf oder wage ich es, neu zu denken, kritisch zu hinterfragen?
Die Soziallehre gibt uns drei Werkzeuge in die Hand, um die Lust an Zerstörung zu überwinden.
Die unantastbare Würde eines jeden Menschen widersteht jeglicher Logik der Unterdrückung. Falsche Propheten müssen so entlarvt und beim Namen genannt werden: Die heutigen Herodes-Gestalten, die in schönen Anzügen schmutzige Geschäfte betreiben. Die Überreichen, die meinen ihnen gehören Erde, Mond und morgen der Mars. Die Opportunisten, deren Vorteilshemd schon mit der Haut verwachsen ist, die über Leichen gehen, um ihre Macht zu stärken. Die Biedermänner und Brandstifter, die mit den Blaumännern buhlen, Brandmauern einreißen, während ihre Werte lichterloh brennen.
Die Solidarität wehrt sich gegen jegliche Mechanismen, die Sündenböcke fabrizieren. Sie verweigert sich, wenn Aggressionen horizontal ausgetragen werden: Alte gegen Junge bei der Rente, Arbeitslose gegen Migranten im Sozialstaat, wenn gegen Minderheiten und Schwache gekeult wird. Solidarität deckt die Wahrheit auf: Es ist der Überreichtum Weniger, der einer wachsenden verarmenden Menschenmasse gegenübersteht.
Das Gemeinwohl beweist, dass die Logik von unendlichem Wachstum und Ausbeutung von Schöpfung und Geschöpf selbstzerstörerisch ist. Jesu und Jesaja Botschaft fordern mich heraus: Wüsten in Gärten verwandeln konkret vor Ort auf der Arbeit. Vertrauen aufbauen, Mitbestimmung gestalten, Beschäftigte zu Besitzern machen. Das schafft Leben.
Es liegt an mir, folge ich dem Weg des Jesaja und des Jesu von Nazareth? Glaube ich ihrer Botschaft, dass eine andere Welt möglich ist, dass Zukunft realisierbar ist, nicht indem ich die Vergangenheit wiederhole, sondern die Gegenwart verwandle?
Bin ich Botschafter des Lichtes?
Das Streichholz, die Flamme des Brandstifters zerstört, erbaut Ruinen. Es ist das Licht der Kerze, in dem das wahre Leben aufleuchtet. Gerade, weil die Zeit drängt: Säen wir Vertrauen! Verwandeln wir neu! Lassen wir Leben erblühen! Gott kommt als Mensch, damit wir wahrhaft lieben lernen, Mensch werden. Nur, wer vertraut, schafft Leben, wird wahrhaft Mensch.
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