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13.08.2025

KABumm: Sei kein Narr! Werde Mensch und teile

Reichtum verpflichtet – nicht zum Horten, sondern zum Teilen. Diakon Michael Wagner fragt: Was bleibt am Ende wirklich? Besitz vergeht, geteiltes Leben bleibt. Unser aktueller KABumm-Impuls über Gerechtigkeit, Verantwortung und die befreiende Botschaft Jesu.

Sei kein Narr – Werde Mensch und teile

Im aktuellen KABumm-Videoimpuls spricht Diakon Michael Wagner über Reichtum, Gerechtigkeit und Verantwortung. Er erinnert daran: Reichtum verpflichtet – nicht zum Horten, sondern zum Teilen. Was passiert, wenn Vermögen wächst, ohne dass jemand etwas dafür tut, während andere hart arbeiten und kaum über die Runden kommen? Wie gehen wir mit Erbschaften um, die auf Unrecht und Ausbeutung beruhen? Und was sagt Jesus zu Besitz und Glück?

Eine klare Botschaft: Was du für dich behältst, vergeht. Was du teilst, bleibt.

„Hütet euch, euch mehr haben zu wollen. Denn auch wenn jemand Überfluss hat, sein Leben ist nicht aus seinem Besitz.“ (Lk 12,15)

 

Die Predigt zum Nachlesen:

Was trägt?

„Windhauch, Windhauch, das alles ist Windhauch.“ So beginnt das Buch Kohelet. Eine ebenso uralte, nüchterne, wie auch weise Stimme. Kohelet bedeutet „der Sammler“. So sammelt er Lebenseindrücke, wie Menschen sich mühen, wie sie nach Sinn streben, wie sie irdische Güter anhäufen. Dabei erkennt er: Nichts bleibt. Alles vergeht. Alles ist Windhauch. Eine schmerzhafte Einsicht. Und zugleich: eine heilsame. Die mich neu fragen lässt: Was bleibt wirklich? Was gibt dem Leben Sinn, Halt, Tiefe?

Kohelet geht dabei nicht nur um den einzelnen Menschen, nein, er entlarvt ein ganzes Denksystem, das sich allein um den Besitz dreht. Ein Leben, das sich daran aufreibt, immer mehr zu haben, dabei aber nie zur Ruhe kommt. Er folgt dem Geist der Weisheit, sucht nach einer Spiritualität, die wahrhaft zufrieden macht. Ganz im Sinne der biblischen Tradition: Wer glaubt, beschränkt sich. Wer glaubt, befreit sich vom Zwang, alles kontrollieren, alles besitzen zu müssen. Wer glaubt, fragt: Worauf vertraue ich wirklich? Was trägt mich? Worin gründet sich meine Hoffnung?

Wer hat, besitzt und herrscht

Diese Fragen greift Jesus auf. Wörtlich übersetzt, fordert er: „Hütet euch, mehr haben zu wollen. Denn auch, wenn jemand Überfluss hat, sein Leben ist nicht aus seinem Besitz.“ Nichts von dem, was ein Mensch hat, kommt aus dem, was er besitzt. Ich erschaffe nicht mein Leben. Das Leben wird mir geschenkt. Von mir aus besitze ich als Mensch gar nichts. 

Beiden, Lukas wie auch Kohelet, blicken nicht auf einzelne Person. Sie weiter den Blick vielmehr aufs Gesamte. Der Gutsbesitzer ist so auch typisch für Lukas ein Typos. Er steht für ein System aus Werten und Denken, das Strukturen schafft, in denen Menschen zu Opfern werden.

Zur Zeit Jesu verschuldeten sich viele Bauern so sehr, dass sie ihr Land verloren. Was einst Familienbesitz war, fiel an Großgrundbesitzer. Die vormaligen Eigentümer arbeiteten nun weiter auf demselben Boden: als Pächter, Sklaven und im schlimmsten Fall als Tagelöhner. Die Bauern verloren neben ihrem Land, auch ihre Würde, Zukunft sowie Freiheit.

All das schert den Gutsbesitzer nicht. Er plant und rechnet sorglos, indem er nur um sich selber kreist: „Seele, du hast einen großen Vorrat für viele Jahre…“ Seele, im Hebräischen Ausdruck schwingt da mit, dass der Mensch bedürftig ist, nach Leben dürstet. All das sieht er gestillt und gelöscht, allein indem er materiell für sich ausgesorgt hat. Dieses Denken entlarvt Gott: „Du Narr“. Gott entlarvt seine Posse, zu denken, alles gehöre ihm, seinen Wahn, er genüge sich selbst, seine narzisstische Egozentrik, die keinen Platz mehr ließ für andere und für Gott.  

Ja, dieses Gleichnis stellt ganze Lebensentwürfe und ihre Fundamente radikal in Frage: Was macht mich reich? Wer besitzt eigentlich wen? Besitzt der Mensch seinen Besitz? Oder ist der Mensch besessen von seinem Reichtum? Besitz wandelt sich schnell zu einem Irrglauben. Er allein scheint, meine Identität auszumachen. Ganz im Sinne eines Werbeslogans einer Bank: „Mein Haus, mein Boot, mein Auto.“

„Zeig mir, was du hast. Dann sage ich dir, wer du bist.“ Wer sich so definiert, wird jedoch angreifbar. Als ich noch in Berlin lebte, sagte einmal ein reicher Erbe zu mir: „Herr Wagner, am glücklichsten war ich als Student. Da hatte ich nichts. Jetzt habe ich die Firma geerbt und jetzt t habe ich Angst, Angst, etwas zu verlieren.“

Angst ist der ständige Begleiter des Besitzes. Gier ist sein großer Bruder. Gier ist aber mehr als nur eine schlechte Angewohnt. Denn „GFH – Gier frisst Hirn“. Für die Bibel ist Gier gar Götzendienst. Gier ersetzt Gott durch Besitz. Gier nimmt den Platz des Vertrauens, der Hoffnung, der Sinnsuche ein, bindet den Menschen und macht ihn unfrei.

Die Gier und damit der Götze unserer Zeit, ist der Wahn, dass Wirtschaft grenzenlos wachsen könne. Ein nie endendes Wachstum, diese Idee war Jahrtausende Jahre lang unvorstellbar, sie ist erst vor etwa 200 Jahren geboren worden. Ein Wachstum, das nie fragt, wem es dient, sondern nur, was es bringt. Ein Wachstum, das sich selbst genügt.

Umkehrung der Machtfrage und der Auftrag zur Gerechtigkeit

Die Gier eines unendlichen Wachstums ist gefährlich. Sie übersieht nicht nur, dass die Schöpfung endlich ist, sondern sie verdreht auch Achsen der Macht. Einst wurde die Machfrage vertikal gestellt. Arbeiter protestierten gegen die Unternehmer, Arme erhoben sich gegen die Reichen. Heute verläuft die Linie horizontal: Heute bekämpfen sich Beschäftige untereinander, Facharbeiter werden gegen Hilfskräfte ausgespielt, Menschen im Niedriglohnsektor gegen Arbeitssuchende. Heute kämpft jeder gegen jeden.

Wer arm ist, muss sich erklären. Wer reich ist, bleibt unangetastet. Armut wird zum Makel. Reichtum zur Norm. Das widerspricht der Bibel und der katholischen Soziallehre. Beide fordern eine Ökonomie „des Genug für alle“. Ganz eindeutig sagen beide: Eigentum verpflichtet. Nicht alles, was ich besitzen kann, gehört mir allein. Nicht alles, was mir „zusteht“, dient dem Leben. 

Denselben Grundsatz kennt auch das deutsche Grundgesetz. In Artikel 14 heißt es: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“ Das Eigentum wird hier nicht angegriffen. Aber es wird ethisch eingehegt. Eigentum, das andere in die Armut drängt, verletzt den sozialen Frieden. Das ist heute hochaktuell: Etwa, wenn große Wohnungskonzerne, die mit Wohnraum vor allem eines machen: Rendite. Wenn Menschen einen Großteil ihres Einkommens für die Miete aufwenden müssen, bleibt kein Raum für Teilhabe, Bildung und Familie. Wohnen wandelt sich zur existenziellen Bedrohung und Eigentum zum Instrument der Ausgrenzung.

Reichtum ist mehr als Privatvergnügen. Im wohnt eine Verantwortung für die Gesellschaft inne. Und hierbei handelt es keineswegs um eine Neiddebatte. Vielmehr ist es ein Ruf nach Gerechtigkeit und Solidarität. Der Ruf nach einer Ordnung, die nicht dem Markt, sondern dem Leben dient.

Eingebettet ist das Gleichnis, in die anfängliche Frage nach dem Erbe. Erben ist kein privates Thema für Lukas. Ebenfalls heute hochbrisant. Jahr für Jahr werden in Deutschland Milliarden vererbt. Dabei erben mehr als sieben von zehn Menschen, ohne selber etwas beigetragen zu haben am Vermögen. Besonders heikel wird es, wenn Erbmassen auf Leid, Ausbeutung und Tod gründen. Die BMW-Erben verdanken ihr Vermögen, der Ausbeutung von Zwangsarbeitern im Dritten Reich. Die Spedition Kühne wurde reich, weil sie die Logistik der Deportationen organisierte. Hier wird ein Gewinn vererbt, der von anderen erarbeitet worden ist. Ein Reichtum jedoch, der auf Unrecht fußt, trägt die Schuld weiter.

Genau diesen Mechanismus entlarvt Lukas: Wer Überreichtum anhäuft, lebt nicht nur gefährlich, weil er seine Seele an den Mammon verkauft, sondern er entwürdigt zugleich andere Menschen. Eine Gesellschaft, wie unsere, die einen derartigen Überreichtum zulässt, untergräbt die Demokratie. Wo Macht und Vermögen sich auf wenige konzentrieren, verliert sich Freiheit zum Windhauch, ist Gleichheit eine Illusion.

„Jeder ist seine eignen Glückes Schmied.“ Dieser gerne verwendete Spruch offenbart sich so als Farce, als Vorhang, der ein trauriges Schauspiel verdecken soll: Wer arm ist, bleibt es. Wer reich ist, wird immer reicher. Überreichtum stellt biblisch wie heute ein strukturelles Problem dar. Reichtum geht alle an. In einer Demokratie sollen alle Menschen gleich sein. Überreichtum macht jedoch wenige gleicher als die anderen. Gefordert ist eine Ökonomie des genug für alle, eine Wirtschaftsordnung, die allen Menschen dient und nicht dem freien Markt, der nur die frei macht, die sich freikaufen können. 

„Windhauch, Windhauch, das alles ist Windhauch!“ Da ist ein Weckruf: Wenn alles vergeht, was bleibt dann? Wählt das, was bleibt: Ein Mensch, dem ich vertraue. Eine Gabe, die ich weitergebe. Eine Solidarität, die mich mitträgt. Ein Glaube, der mir sagt: Du bist mehr als dein Besitz, du gehörst Gott. Dein Wert bemisst sich nicht nach deinem Kontostand, sondern an der Fülle deiner Liebe. Was du für dich behältst, vergeht. Was du teilst, bleibt. Sei kein Narr. Mach’s wie Gott, werde Mensch und teile!

Amen.

 



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