Gott ist kein Boss. Kein Chef, bei dem nur Leistung zählt. Die KAB ruft auf zu einer Arbeitswelt, in der Würde zählt, Kinder Kind sein dürfen und der Sonntag geschützt bleibt. Was das Vaterunser uns heute noch zu sagen hat? Eine ganze Menge.
Was hat das Vaterunser mit der heutigen Arbeitswelt zu tun? Eine ganze Menge.
Im aktuellen KABumm stellt unser Diakon Michael Wagner klar:
Doch wie sieht unsere Realität aus?
Die KAB erhebt ihre Stimme für eine gerechte Wirtschaft, in der Würde vor Produktivität steht. Für Arbeitsbedingungen, die das Leben ermöglichen. Für Kinder, die Kind sein dürfen. Für eine Gesellschaft, die sich vom Geist des Vaterunsers leiten lässt.
Gott ist kein Boss. Er ist Vater. Und wir sind seine Kinder.
Gott ist kein Boss. Stattdessen lehrt uns Christus das Vaterunser. Aber, was ist Gott für ein Vater? Denn das Bild und der Begriff Vater sind mehrdeutig.
Zur Zeit Jesu gab es den „pater familias“- den „Familienvater“. Er verkörperte ein autoritäres, patriarchales Machtmodell, das tief in der antiken Kultur verankert gewesen ist. Besaß er doch unbegrenzte Rechte, war ein absoluter Herrscher: So entschied er über Leben und Tod, der Familie, der Sklaven und des Viehs. Dieses zwiespältige Erscheinungsbild blieb durch Zeiten bestehen. Noch heute sprechen wir vom „Landesvater“ und vom „Vaterland“. Beide Bilder suggerieren Nähe und Fürsorge. In Wahrheit sind sie aber verknüpft mit Macht und Kontrolle. Der Landesvater entscheidet darüber, was er den Menschen zugutekommen lässt und wo er Strafen und Sanktionen ausspricht.
Besonders die autoritären Züge des Landesvaters sind weltweit wieder gefragt. Exemplarisch verkörpert das Donald Trump. Daddy is the boss. Einerseits verkündet er Schutz, andererseits fordert er bedingungslose Unterwerfung. Daddy Trump verkörpert Stärke. Ihm fehlt es aber an Beziehung. Er übt Kontrolle aus: Ist aber unfähig, Vertrauen aufzubauen. Typisch für solche Väter ist es, das Vaterland zu überhöhen, es absolut zu setzen. Vaterland riecht nach Heimat, fühlt sich stolz an. Doch mit der Menschheitsfamilie tun sich solche Väter dagegen schwer, bauen Grenzen und führen Kriege. Die Sorge fürs Vaterland pervertiert sich so zum Nationalismus. Der Nationalist grenzt aus, wo Gott zur Gemeinschaft ruft.
Das eigentliche Dilemma gründet sich jedoch darin, dass es politische Väter gibt, die wie Kindsköpfe nach der Pfeife des Daddys tanzen. Trump vergleicht etwa Kriegsgegner mit Kindern, die sich auf dem Schulhof prügeln. Und Nato-Generalsekretär Mark Rutte stellt sich in den Reigen ein, indem er meint: „Ja, da muss der Daddy dann halt eingreifen!“ Damit ist jegliche Autonomie und Selbstbestimmung dahin. Denn das narzisstische Vaterbild funktioniert nur, weil es autoritätshörige, devote Kindsköpfe sind, die die Aufforderung zum Tanz annehmen.
Blicken wir aufgrund dieses Hintergrundes auf das Vaterunser, wird deutlich, wie radikal Jesus sich von solch einem Bild abwendet. Er verwendet das aramäische „abba“, Papa würden wir wohl sagen. Das ist ein Kosename, liebevoll, zärtlich gemeint. Gott ist nicht Boss. Er ein Gegenüber. Das ist revolutionär! Dieser Vater bildet ein starkes soziales Fundament. Seine Kinder betrachtet er nicht als Humanressource. Seine Kinder sind seine Ebenbilder, sie tragen seine göttliche Würde in sich. Gott ist mein Vater. Ich bin sein Kind.
Doch leider ist es so, dass das autoritäre, patriarchale Väterbild, auch in unseren sozialen Systemen fortlebt. In den Briefen von Behörden, der Sprache der Amtsstuben, in der Art und Weise, wie über „Fördern und Fordern“ gesprochen wird. Das Vaterunser stellt uns vor die Frage: Welchem Vaterbild soll unsere Gesellschaft folgen? Mit welchen Vateraugen schauen wir auf die Kinder.
Es ist gut, wichtig und absolut notwendig, für den Schutz des ungeborenen Lebens einzutreten. Doch: Welchen Schutz gewähren wir und welche Chancen bieten wir Kindern, die geboren sind, deren Stimme aber in der Gesellschaft nicht zählt? Mit denen, die in Armut leben, deren Familien überfordert sind? Die in einem Bildungssystem vegetieren, das Ungleichheit zementiert? Was ist mit den Kindern, die keine Kindheit mehr haben, weil sie nur noch funktionieren müssen?
Der Blick in die Türkei offenbart, dass dort über 700.000 Minderjährige schuften müssen, bis zu elf Stunden, sechs Tage die Woche, für etwas über fünf Euro Tageslohn. Das sind keine Kinder mehr. Das sind menschliche Fließbänder, die in der Textilindustrie Fäden schneiden, Knöpfe stanzen, Garnspulen wechseln, Polohemden vernähen, in kleinen dunklen Werkstätten, deren Luft vom Staub durchsetzt ist. Sind so kleine Hände, zart und fein, übersäht mit Narben.
Kinder, die die Schule nicht sehen, die nur die Wahl haben, kriminell zu werden oder zu sterben, sei es vor Hunger oder irgendwann in der Textilwerkstatt. 63 Kinder pro Jahr sterben, weil sie etwa in die Schächte der Aufzüge stürzen. Ihr Tod lässt sich berechnen: Etwa 10.000 € zahlen die Bosse der Unternehmen an die Hinterbliebenen an Schweigegeld. Die leiblichen Väter entschuldigen sich: „Wir sind keine schlechten Menschen, aber ohne ihren Lohn können wir die Miete nicht zahlen.“ Es sind halt Kinder, die im falschen Vaterland geboren sind, die fliehen mussten aus Syrien in die Türkei.
Und Vater Staat? Der schaut zu. Die türkische Wirtschaft schwächelt, um sie zu stärken, sind die Opfer der Kinder notwendig. Die Türkei ist das drittwichtigste Herkunftsland für Kleidung. Deutschland importiert dort Kleidung im Wert von über vier Milliarden Euro. Und der deutsche Landesvater will obendrein das Lieferkettengesetzt abschaffen, das Kinder in Arbeit schützen soll. So liefert Vater Staat seine Kinder dem freien Markt aus, weil ihre Arbeitskraft so schön billig ist.
Doch von diesen Kindern darf sich nicht der abwenden, der Gott seinen Vater nennt. Wer Kinder fördern will, muss Familien stärken, investieren in die Bildungschancen, die Zeit bereitstellen, die Familien brauchen, um als Familie auch Familie sein zu können. Vater Staat und Vaterland sind nicht geprägt von Liebe. Sondern von einem Leistungsethos, der alles eliminiert, was dem Profit im Wege steht. Ein Leistungsethos mit einer dunkelbraunen Geschichte. Im Dritten Reich war „Leistung“ der Maßstab für „Wert“. Wer nichts leistet, ist nichts wert, der gehört aussortiert.
Diese Ideologie lebt fort, leise, versteckt, aber sehr wirkmächtig. Ja, sie wird gar als Kampagne fast täglich durch die Medien gepeitscht. Etwa, wenn gesagt wird, wer nichts leistet, kann von „Vater Staat“ nichts erwarten. Vater Staat fordert Eigenverantwortung. Aber letztendlich bedeutet dies, ich bin auf mich alleine gestellt. Wenn Feiertage abgeschafft werden sollen, weil nur so die Wirtschaft produktiver sein könne. Obwohl längst viele Studien das Gegenteil beweisen. Wenn die Arbeitszeit zum Maß aller Dinge erhoben wird.
Doch der Mensch ist mehr, als was er leistet oder produziert. Er ist nicht nur Arbeitnehmer, er ist und bleibt selber ein Kind. So braucht er Räume, um zu leben, zu spielen, zu glauben, zu lieben, zu wachsen. Kurzum: Um Mensch sein zu können. Wo dieses unverzweckte Kindsein keinen Platz mehr hat, verliert das Menschsein seine Würde. Doch gerade hier wird derzeit das angegriffen, was das soziale Fundament bildet.
Das neue Ladenöffnungsgesetz der bayerischen Staatsregierung führt dazu, dass Bayern den schwächsten und schlechtesten Sonntagsschutz in Deutschland haben wird. Das ist ein Frontalangriff auf kleine Betriebe, auf die Beschäftigten, auf die Familien und das gemeinsame Innehalten. Es nutzt nur den großen Konzernen. Es schadet dem Mittelstand, den doch angeblich alle fördern wollen. Es ist widersinnig, den Sonntag zu schleifen und gleichzeitig zur rufen: „Das Kreuz gehört zu Bayern!“ Das ist nicht christlich! Das ist zynisch! Das ist profitgetriebene Heuchelei!
Wer das Kreuz ernst nimmt, weiß: Das Kreuz steht nicht für Konsum und Dauerdienst. Das Kreuz steht für die Würde des Menschen, seine Freiheit und die Unterbrechung des alltäglichen Hamsterrades. Der Sonntag ist ein Menschenrecht.
Gott ist kein Boss! Das Vaterunser setzt einen anderen Maßstab. Indem ich es bete, vollzieht sich Würde, Beziehung und Barmherzigkeit. Da ziehe ich mich nicht in die private Kuschelzone zurück. Denn das Vaterunser ist ein revolutionärer Aufschrei. Im Vaterunser vereinen wir uns, um für eine andere Welt zu beten. „Dein Reich komme“: Nicht das des freien Marktes, oder das einer großen Nation. „Unser tägliches Brot“: Nicht nur mein Brot oder meinen Kuchen,
während anderorts Kinder zu Tode gehungert werden. „Vergib uns unsere Schuld“: Ja, gerade die strukturelle Sünde, die wir als Gesellschaft begehen, wenn der Profit über der Würde des Menschen steht, wenn wir uns über die Talfahrt der Börse echauffieren, während Obdachlose erfrieren, wenn wir es zulassen, dass Menschen durchs Raster fallen, und nicht aufgefangen werden.
Gott ist ein Vater, der mitgeht. Er ist bei der Alleinerziehenden, die zwischen Kita und Spätschicht jongliert. Er ist bei der Reinigungskraft, die nachts putzt und morgens still und müde ihre Kinder versorgt. Beim Kind, das sich still schämt, weil es wieder kein Pausenbrot mithat. Beim Arbeitslosen, der hofft, nicht wieder einen Ablehnungsbescheid zu bekommen. Gott ist da, wenn es darauf ankommt. Nicht nur in den Sakramenten, sondern auch in den Tarifverhandlungen. Nicht nur im Himmel, sondern auch an den Arbeitsstätten. Nicht nur in frommen Worten, sondern auch im realen Alltag.
Eben darum braucht es Menschen, wie du und ich, die sich engagieren in Pfarrei und in der KAB. Es genügt nicht, Recht zu haben. Wir müssen auch aufstehen, wenn Menschen ihre Rechte genommen werden. Es genügt nicht, Werte zu verkünden, wir müssen sie konkret machen, indem wir uns einsetzen für gute Arbeit, für den Sonntagsschutz, für Chancengerechtigkeit in der Bildungsarbeit, für ein weltweites Lieferkettengesetz.
Gott ist Vater. Er schaut auf das Herz, nicht auf die Produktivität. Er sagt nicht: „Arbeite,
damit du zählst.“ Sondern: „Mensch du zählst, weil du mein Kind bist!“ Vielleicht fragt er dich heute: Was brauchst du? Wofür stehst du ein? Dann kannst du antworten: Ich stehe ein für die Würde des Menschen, für sein Recht Kind sein zu dürfen, denn ich selber bin ein Kind Gottes. Gott ist kein Boss. Er ist unser Vater. Ich bin sein Kind. Und ein Kind Gottes zu sein, das ist der erste Beruf eines jeden Menschen.
So segne Gott, der Vater, die christliche Arbeit.
Gott segne sie.
Amen.
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