Bettina Messinger, Landesfrauensekretärin von ver.di Bayern, berichtete am 26. März 2019 im Bildungszentrum Rosenheim zum Themenbereich „Entgelt-Ungleichheit“. In ihrem Vortrag ging sie auf die Ursachen der Lohnlücke sowie auf die Bestrebungen ein, mit einem „Entgelt-Transparenzgesetz“ die Situation der Frauen zu verbessern.
100 Jahre nach der ersten Wahl mit Frauenbeteiligung ist die Differenz zwischen der gesetzlichen Gleichberechtigung hin zu einer tatsächlichen Gleichstellung im politischen, gesellschaftlichen und im beruflichen Leben der Frauen immer noch deutlich spürbar.
Frauen erhalten im Beruf weniger Geld als Männer, und das von Beginn des Erwerbslebens an. Die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern beträgt nach aktuellem Stand in Bayern im Durchschnitt 21,9 %. „Das bedeutet in zehn Jahren ein hochgerechneter Einkommensverlust von durchschnittlich ca. 41.000 €“, erläuterte Messinger.
Die Ursachen dafür sind vielschichtig, denn zunächst haben Frauen im Bildungswesen sehr gut aufgeholt und weisen vielfach bessere Abschlüsse und Qualifikationen vor. Die Neigung, bei der Berufswahl sich für schlechter bezahlte Berufe zu entscheiden (z.B. im Gesundheitswesen, Hauswirtschaft, soziale Arbeit, Handel, Gastronomie usw.) ist jedoch nur ein Faktor. Ein anderer ist, dass Frauen der Aufstieg in besser bezahlte Ebenen und Führungspositionen nur selten gelingt. Dort, wo gesetzliche Quoten gelten, zeigen sich sehr langsam kleine Verbesserungen. Letztlich führt eine Unterbrechung der Berufstätigkeit für die Familienpause mit anschließenden Minijob- oder Teilzeittätigkeit zum Karriereknick, zu schwierigeren Bedingungen beim Wiedereinstieg und beruflicher Fortbildung bis hin zu einer damit verbundenen, deutlich verminderten Altersrente. „Teilzeitfalle und Minijob ist weiblich und eine Klebefalle“, so die Referentin. Nun ist seit Januar ist das Gesetz zur sog. Brückenteilzeit in Kraft getreten. Damit wird der Rechtsanspruch auf Rückkehr von Teilzeit in eine vorherige Vollzeitstelle festgelegt. Doch dieses Gesetz trifft nur auf Firmen ab 46 Mitarbeiter*innen zu.
In der Folge klafft der Rückstand in der gesetzlichen Rentenversicherung noch wesentlich weiter auseinander: in Westdeutschland sind es im Durchschnitt 42 %, in Ostdeutschland 23% weniger Rente.
In Firmen mit Tarifbindung ist es etwas besser, da aber Frauen meist in anderen Bereichen tätig sind, können sie hiervon seltener profitieren. Verbesserungen brachten jedenfalls die Einführung des Mindestlohns 2015.
Betrachtet man die Alterseinkünfte zusammen, gesetzliche Rente, Betriebsrente und private Altersvorsorge, so haben Frauen sogar nur 53 % weniger Geld zur Verfügung. Dieser sog. „Gender Pension Gap“ ist im europäischen Vergleich nur noch in Luxemburg gravierender! Frauen in Deutschland ist es aufgrund der familiären und beruflichen Situation schlichtweg nicht möglich, noch „nebenbei“ etwas auf die Seite zu legen und für das Alter vorzusorgen.
Die Lohn-Ungleichheit und ihre Folgen hat die Politik längst erkannt. Doch wie vorgehen? Man wollte ein Instrument zur Verringerung der Lohnlücke schaffen. So wurde 2017 das „Gesetz zur Förderung der Transparenz von Entgelt-Strukturen“ verabschiedet, das die Möglichkeiten eines individuellen Auskunftsanspruchs nach Vergleichstätigkeit und Vergleichswertigkeit öffnet. Dies ist aber nur in Betrieben ab 200 Beschäftigten möglich und trifft nicht für freie Mitarbeiter*innen zu. Und selbst wenn Frau das Auskunftsrecht in Anspruch nimmt, so erfolgt kein Automatismus bei der Anpassung des Gehalts. Sie muss es aktiv selbst einfordern und evtl. den persönlichen Klageweg gehen, da Verbandsklagen, z. B. über die Gewerkschaften, nicht zulässig sind. Diesen Weg „gegen“ den Arbeitgeber zu beschreiten, dürfte die Mehrzahl abschrecken. Es verwundert nicht, wenn nur wenige Frauen von Nachfragen Gebrauch machen, um nicht mit negativen Folgen im Alltag konfrontiert zu werden.
Das Gesetz wurde zunächst von Unternehmensseite vielfach als Bürokratiemonster abgetan. Inzwischen sind verschiedene Betriebe hierzu befragt. Ergebnis war, dass für ca. 90 % der Unternehmen sich der bürokratische Aufwand in Grenzen hielt und nur 1% die „hohe“ Belastung kritisierten. Die Betriebe konnten offenbar gut mit den Vergleichsdarstellungen umgehen. Hilfe gibt z. B. die Broschüre des Bundesministeriums. Das Gesetz sieht seit Jan. 2018 einen „individuellen Auskunftsanspruch“ vor (Unternehmen ab 200 Beschäftigten) und Berichtspflichten sowie betriebliche Prüfverfahren in Unternehmen ab 500 Beschäftigten.
Die ersten Ergebnisse zeigen hier, dass das Transparenzgesetz zwar noch wenig Wirkung zeigt, aber doch erste zarte Erfolge aufweist. Das Ifo-Institut hatte folgende Werte ermittelt: nur knapp 10% der Beschäftigten holten in den möglichen Unternehmen Erkundigungen ein, nur jede siebte Auskunft führte nach dieser Umfrage auch zu einer Anpassung des Gehaltes.
Änderungen beim Auskunftsrecht müssen vorgenommen werden, verbindliche zertifizierte Prüfverfahren mit Sanktionsmöglichkeiten und ein Verbandsklagerecht sind zu ergänzen, führte Messinger aus. Ver.di bringt auch weitere gleichstellungspolitische Forderungen zum Schließen der „Gaps“ ein.
Die Referentin bewertet es aber grundsätzlich als positiv, dass durch das Gesetz offene Diskussion und ein Umdenken befördert wird: „Ja, die Einführung war richtig, muss jetzt aber weiterentwickelt werden“, so lautete ihr Resümee.
Die Forderung für deutliche Nachbesserungen des Transparenzgesetzes ist auch beim KAB-Diözesantag einstimmig an die Bundespolitik gerichtet worden.
Gudrun Unverdorben, KAB Diözesanverband München-Freising, Region Süd, Rosenheim
Bild KAB Rosenheim: v.r.n.l.: Ingrid Meindl-Winkler, DGB und KFD Rosenheim, Christine Mayer, Gleichstellungsstelle der Stadt Rosenheim, Bettina Messinger, ver.di Landesfrauensekreträrin und Gudrun Unverdorben, KAB Diözesanverband M-FS, RegionSüd
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