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04.03.2017

Wie kann Gemeinschaft in einer digitalen Welt gelingen?

KAB-Bildungstag in Altenmarkt. Alexander Kirnberger gibt Perspektiven im Spannungsfeld zwischen Arbeit 4.0 und Familie. Schleichend hat die Digitalisierung das Arbeits- und Familienleben verändert. Hohe Flexibilität und Erreichbarkeit des Arbeitnehmers bei gleichzeitig intensiver digitaler Vernetzung in der Welt der "sozialen Medien" haben nicht nur die "Smartphone"-Generation erreicht. Mehr noch - die Familien erleben hier gerade einen Umbruch, auf den die KAB im Kreisverband mit verschiedenen Aktionen reagiert. Im Altenmarkter Pfarrheim fand dazu ein vom KAB-Kreisverband und Katholischen Kreisbildungswerk veranstalteter Bildungstag mit Referent Alexander Kirnberger statt, in dem Perspektiven und Reaktionen auf die digitale Veränderung erarbeitet wurden.

Kirnberger, der als Pastoralreferent in Markt Schwaben arbeitet und gleichzeitig als (in Bayern einmalig) Betriebsseelsorger für DGB und Kirche Rosenheim tätig ist stellte zunächst die Frage in den Raum, "wie Gemeinschaft gelingen kann". Gemeinschaften habe es in der Geschichte immer wieder in verschiedensten Ausprägungen gegeben, beginnend von der Familie über die Groß-Sippe bis hin zu Völkergemeinschaften. Alle verbinde ein starkes "Wir-Gefühl". Heute sei Gemeinschaft wesentlich weiter gefasst, man müsse daher über den Tellerrand hinaus sehen und erkenne bald, dass es neben lokalen, nationalen auch internationale Gemeinschaften gebe, die aufgrund digitaler Vernetzung immer mehr an Bedeutung gewinnen und daher näher zusammenwachsen. Aktuell werden neue Gemeinschaften durch die Flüchtlingssituation "generiert", die es so vorher nicht gegeben habe. Und auch dort erkenne man bereits die zunehmende digitale Vernetzung, "dank" Smartphone.

Die Digitalisierung habe in atemberaubendem Tempo nicht nur die private Welt verändert, sondern auch die Arbeitswelt revolutioniert. Nach den Vorstufen 1.0 (Beginn der Industrialisierung), 2.0 (Massenproduktion), 3.0 (soziale Marktwirtschaft) sei man nun bei 4.0, dem digitalen Wandel angekommen. Selbst Berufe, wie Erzieherinnen und Krankenschwestern, die bis vor kurzem noch ohne große EDV auskamen, finden sich nun inmitten einer digitalen Welt aus PC, Telekommunikation und elektronischer Verwaltung wieder.  Schleichend habe damit die ständige Erreichbarkeit und eine unglaubliche Flexibilisierung Einzug in die Arbeitswelt gehalten. Plötzlich rufe der Chef wie selbstverständlich am Wochenende an und am Sonntagabend werden noch dienstliche Emails gecheckt, so Kirnberger. Ebenso unbemerkt entwickelten sich damit die Kontrollmöglichkeiten. Man wisse, wer wann wo gerade was arbeite. Der Mensch ist "durchsichtiger" denn je zuvor. Schleichend auch das Auseinanderdriften der Gehälter und Qualifikationen. Es bedarf daher einer neuen Solidarität. Gute Arbeit müsse gut bezahlte, sichere und menschengerechte Arbeit bleiben und dürfe nicht unbeachtet verschlechtert werden, so der Referent. Mangelware ist nach wie vor sozialer Wohnraum. Durch die Flüchtlingssituation werde dieses Dilemma nun national transparent gemacht. Sogenannte Fehlbeleger, also Flüchtlinge, die nach der Anerkennung eigentlich nicht mehr in den Flüchtlingsunterkünften wohnen dürfen, aber eben wegen Mangel an Sozialwohnungen dort bleiben müssen, zeigen auf, dass generell wenig finanzierbare Wohnungen auf dem Markt zu haben seien. Immobilienspekulanten und die Flucht der Sparer in Immobilienwerte erschweren Familien mit geringen Einkommen bezahlbare Mietwohnungen zu finden.  

Angesichts all dieser beängstigenden Entwicklungen neigen manche Menschen zum Resignieren. Hier, so der ausgebildete Theologe, greife die christliche Botschaft. Sie gebe nicht nur Mut: "Gott reicht immer die helfende Hand, auch wenn die Situation oft ausweglos erscheint!". Nein mehr noch: wie im Gleichnis des barmherzigen Samariters, so seien "wir alle aufgerufen, einander zu helfen". Das sei gelebte Gemeinschaft und Auftrag an alle. Wie die katholische Soziallehre es vorgebe, so gelte es für jeden, offen und solidarisch zu sein, sich den Herausforderungen zu stellen.

Welche Herausforderungen aktuell anstehen und wie man sich diesem auch  innerhalb der KAB stellen kann, war auch Thema der Kleingruppenarbeit. Erarbeitet wurde, was im eigenen Umfeld aktuell "unter den Nägeln brenne". Das beginne bei der Pflege der Eltern, die Sorge um die Schöpfung bis hin zum Fortbestand der ehrenamtlichen Tätigkeit. Begegnen könne man dem durch den Kauf von fair gehandelten Produkten, dem Einrichten von Helferkreisen (etwa um  alten Menschen den Einkauf zu ermöglichen) sowie durch Werbung fürs Ehrenamt, das ebenfalls zu überaltern drohe. TEAM heiße nicht, "toll ein anderer macht‘s", sondern "teilt eure Arbeit miteinander". Sich einbringen sei essentiell, etwa durch betriebliche Mitgestaltung in Betriebsräten. Auch solle sich die KAB stark machen gegen sogenannte "prekäre Arbeitsverhältnisse", in denen Mitarbeiter unter Druck gesetzt werden oder ausgenutzt werden. Nur, wenn gemeinsam gegen sich abzeichnende Missstände in Beruf und Gesellschaft etwas unternommen werde, könne ein gerechtes Miteinander und damit Gemeinschaft auf Dauer gelingen, so das Fazit des Bildungstages. sts

 


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